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Vier Augen

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Review: "Dare to Disappoint" von Özge Samanci

Mithilfe von Alltagsmaterialien gestaltet, erinnert die Graphic Novel an das Tagebuch eines jungen Mädchens. Bild: Özge Samanci

Mithilfe von Alltagsmaterialien gestaltet, erinnert die Graphic Novel an das Tagebuch eines jungen Mädchens. Bild: Özge Samanci

 


Ich habe Özge Samanci und ihre Arbeit kennengelernt, als ich in Berlin gewohnt habe und spontan zu einer Comic-Lesung von ihr ging. Heute bin ich froh, damals den weiten Weg ins hinterste Eck von Charlottenburg auf mich genommen zu haben, um zu ihrem Votrag zu kommen, denn Dare to Disappoint ist eine der besten Graphic Novels, die ich je gelesen habe.



Özge Samanci kommt aus Izmir in der Türkei. In ihrer autobiografischen Graphic Novel Dare to diasappoint beschreibt sie, wie sie aufgewachsen ist – zwischen Atatürk-Porträts, obsessivem „Dallas“-gucken im Fernsehen und ihrem extrenzischen Istanbuler Onkel, der in einer alternativen Keller-WG lebt. Die kleine Özge ist unglaublich süß gezeichnet, was die politischen und sozio-ökonomischen Realitäten ihrer Kindheit noch greifbarer macht. Sie verliebt sich in ihre Lehrerin und wird mit einem Lineal verhauen, lernt Mandoline spielen und kloppt sich mit ihrer großen Schwester. Die beiden Mädchen stehen von Anfang an unter großem Druck, als Frauen Erfolg in einer Leistungsgesellschaft zu haben. „In this country, if you are a woman and you don’t have a job, you are ZERO, nothing, NOTHING!“, bläut ihnen der strenge Vater von vornherein ein. Özge versteht und weigert sich dennoch, ihre komplette Kindheit der Schule zu opfern, sie ist Streberin und Rebellin zugleich. Wie sie das private Schulsystem der Türkei durchläuft, um endlich an die begehrte Elite-Uni zu kommen, macht einen beim Lesen sehr betroffen. Doch als endlich am Bosporus Mathe studiert, merkt sie, dass etwas grundlegendes nicht stimmt. Mehrere einschneidende Erlebnisse bringen sie schließlich dazu, ihr strikt vorgeplantes Leben, trotz des heftigen Drucks von außen, komplett über den Haufen zu werfen.
Die Geschichte ist dabei sympathisch und lebhaft gezeichnet. Samanci mischt einen klaren grafischen Stil mit Aquarellklecksen, Schnipseln aus offiziellen Dokumenten, Kaugummipapierchen, Fotos, Goldfolie und sogar Senf. Dadurch erhält alles eine gewisse Leichtigkeit, aber auch den Realismus eines Tagebuchs. Ihre Erzählstimme ist humorvoll und gleichzeitig melancholisch, wie sie ihren Weg von der Kindheit bis zur Entscheidung, Comiczeichnerin zu werden, reflektiert. Heute ist sie erfolgreiche multidisziplinäre Künstlerin und lebt in den USA. Obwohl ich von Anfang an das Privileg hatte, etwas künstlerisches zu studieren zu können, ging mir ihre Geschichte sehr nah. „Dare to disappoint“ bedeutet, Erwartungen nicht immer erfüllen zu müssen, um am Ende das eigene Leben leben zu können.

 
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