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Vier Augen

Blog about art, illustration and the meaning of it all

Making of: Şimdi heißt jetzt

 

Im Frühjar 2020 ist Şimdi heißt jetzt bei Slanted Publishers erschienen. Das Buch landete u. a. auf der Shortlist der “Schönsten deutschen Bücher.” In diesem Blogeintrag möchte ich einen Einblick geben, wie “Şimdi” überhaupt entstanden ist.

 
 
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Anfängliche Skizzen, die ungenutzt geblieben sind.

Anfängliche Skizzen, die ungenutzt geblieben sind.

Erste Skizzen und Notizen zum Buch.

Erste Skizzen und Notizen zum Buch.

Es gibt weniges, was so schön, aber auch so anstrengend ist, wie ein Buch zu produzieren.


Die Idee zu “Şimdi”


Seit meinem Aufenthalt in Istanbul im Frühjahr 2016 beschäftige ich mich mit dem Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei bei der Kulturplattform bzw. Onlinemagazin Maviblau.
Im Herbst 2017, als ich im gerade Praktikum beim Missy Magazin war, hatte Navid Linnemann von Maviblau die Idee, ein Buchprojekt zum Thema Istanbul starten. Bei diesem Projekt sollten sich verschiedene Maviblau-Autor*innen (sowie einige Autor*innen von außerhalb) zusammentun, um ein nuanciertes, vielfältiges und realistisches Bild mit einem persönlichen Eindruck zu verbinden. Da ich händeringend auf der Suche nach einem Thema für meine Masterarbeit war, und diese Buchidee ein Traumprojekt für eine Illustratorin wie mich darstellte, war die Entscheidung schnell gefallen. Von der ursprünglichen Idee ausgehend, haben wir das Konzept im Team von Maviblau weiterentwickelt.

 
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In einer Großstadt wie Istanbul werden ständig neue Dinge sowohl auf ästhetischer als auch auf semantischer Ebene kombiniert. Dieses Phänomen finde ich sehr spannend, weil sich die verschiedenen Elemente gegenseitig beeinflussen und verstärken. Daher wollte ich auch im Buch mit einer Collagetechnik arbeiten.


 

Illustrationstechnik


Erfahrungen mit Buchillustration und -gestaltung hatte ich schon durch das Buch Frankfurt für Anfänger. Bei diesem Projekt habe ich zunächst einzelne Motive illustriert und später die gesamte Buchgestaltung um diese Illustrationen herum gebaut. Für FFA habe ich mit einer Collagentechnik und schwarzer Aquarellfarbe gearbeitet. In meiner Masterarbeit wollte ich diese Technik auch benutzen, aber vor allem wollte ich mit Farbe arbeiten und die digitalen Arbeitsmöglichkeiten bzw. Kombinationsmöglichkeiten ausloten.
Daher habe ich eine analog-digitale Mischtechnik entwickelt, die mir größtmögliche Freiheiten gibt, aber gleichzeitig das Aussehen der analogen Techniken (Aquarell, Tusche, Gouache) die ich benutze, beibehält.


 
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Einsatz von Illustration

Es war leider bei der Planung des Projekts schon klar, dass die Texte nicht vorhanden waren und erst im Laufe der nächsten Monate bei mir ankommen würden. Daher musste ich mich darauf einstellen, mit Zusammenfassungen oder sogar nur mit Titeln zu arbeiten. Aber we sollte ich den Text darstellen, wenn ich den Text gar nicht gelesen hatte? Mit diesem Problem habe ich lange gekämpft. Selbst, als ich die ersten Texte erhalten hatte und dazu passende Illustrationen erstellt hatte, fühlte es sich nicht richtig an.

Bis mir klar wurde: Buchillustration ist keine Editorial-Illustration (was ziemlich offensichtlich ist, aber irgendwie hat das bei mir ein bisschen gedauert).


Editorial-Illustrationen haben in Magazinen ihre Wichtigkeit, weil man sich nicht hinsetzt und das ganze Magazin von vorn bis hinten durchliest wie ein Buch. Bei einem Buch hat man mehr Zeit, daher müssen die Illustrationen auch nicht die Aussage des Textes zusammenfassen.
Da es ein Buch mit verschiedenen persönlich gefärbten Sachtexten werden sollte, fragte ich mich, ob es auch eine „persönlich gefärbte Sach-Illustration“ geben kann, die eben nicht das, worum es im Text geht, eins zu eins darstellt. Vielleicht konnte ich also noch etwas zusätzliches darstellen, und bei den Texten zwischen den Zeilen lesen, um Ideen für die Motive zu finden – oder etwas zeigen, was eher am Rande zum Thema passt und einen neuen Kontext aufmacht.

 

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Handyschnappschüsse werden zu Illustrationen

Die Illustration funktioniert jetzt parallel zu den Texten als Beitrag von mir als Autorin. Gleichzeitig verbindet sie alle Beiträge in der Publikation. Es ist, wie in den Texten, eine Mischung aus Sachlichkeit und poetischer Herangehensweise bzw. persönliche Sicht. Die Auswahl der Bilder und die Zuordnung zu den Texten war dabei ein wichtiger Teil der Arbeit.


Um Motive zu finden, habe ich meine Bilderdatenbank von ca. 3000 Handyfotos, die ich in Istanbul gemacht habe, durchsucht. Das hat den Hintergrund, dass die Illustrationen in dem Buch ebenso wie die Texte eine persönliche Sicht zeigen sollen. Außerdem: Bei einem selbst geschossenen, „hässlichen“ Foto fällt es mir leichter, mit den Inhalten kreativ umzugehen, anstatt sich zum Kopieren eines schönen Motivs hinreißen zu lassen. Es hat Spaß gemacht, diese Thumbnails zu skiizieren und verschiedene Kompositionen auszuprobieren.

 
Sammlung von Skizzen auf Grundlage von Handyfotos.

Sammlung von Skizzen auf Grundlage von Handyfotos.

 

Alltagsgegenstände dienen als Inspiration für die Farbwelt.  (Bustickets, Rechnungen, Geldscheine, Untertassen und eine Verpackung von gerösteten Kastanien.)

Alltagsgegenstände dienen als Inspiration für die Farbwelt. (Bustickets, Rechnungen, Geldscheine, Untertassen und eine Verpackung von gerösteten Kastanien.)

Farblich habe ich mich an gefundenen Gegenständen aus dem Alltag orientiert. Obwohl ich mit Aquarell und Tinte in schwarzweiß gearbeitet hatte, wollte ich den meisten Illustrationen doch etwas Farbe verleihen. Das habe ich dann mithilfe von Farbverläufen in Photoshop gemacht – eigentlich ein No-Go für viele Gestalter*innen, aber wenn es zum Projekt passt, dann passt es zum Projekt. Um einen Gegenpol zu den gefälligen Farbverläufen zu bilden, sind trotzdem gut ein Drittel der Illustrationen im Buch in schwarzweiß gehalten.


Die einzelnen Texte werden von kleineren Schwarzweiß-Illustrationen begleitet, die mal als Kommentar, mal als Veranschaulichung dienen und dem Chaos der Gegenstände dem man in Istabul begegnet, entsprechen.

Der letzte Schliff


Ich habe den Autor*innen den Titel Şimdi heißt jetzt (sprich: schimdi) vorgeschlagen. Auf die Idee gebracht hat mich das Lied Şimdi der türkischen Band 123. Durch den deutschen und türkischen Anteil bezieht dieser Titel sich auch auf den Namen Maviblau – und reflektiert das Konzept einer subjektiven Momentaufnahme.

Weitere Infos zum dem Projekt gibt es hier.

 

Fertiges Buch mit Banderole.

Fertiges Buch mit Banderole.