Eva Feuchter Illustration und Graphic Recording in Berlin und Leipzig

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Wrongfidence-Workshop in Cihangir

Alle Fotos: Marie Konrad

Ich hab dieses Jahr wieder so richtig mit meinem Skizzenbuch angefangen, nachdem ich gemerkt hab, dass ich irgendwie fast nur noch mit Procreate bzw. auf dem iPad arbeite. Das Problem ist, dass man (also ich) dabei einfach zu viele Möglichkeiten und Ansprüche hat. Im Laufe der letzten Monate hab ich dann, inspiriert z. B. von Fran Meneses, aber auch anderen Illustrator:innen, für mich eine analoge Zeichentechnik gefunden, um mir nicht mehr so nen Kopf zu machen. Ich nenne diese Art zu zeichnen Wrongfidence. Das heißt nicht, dass man unbedingt selbstbewusst ist, aber den Mut hat, bewusst “falsche” Linien aufs Blatt zu setzen.

Bei Wrongfidence geht’s darum, mit einem permanenten Zeichenwerkzeug, z. B. einem Gelstift, zu arbeiten, statt mit dem Bleistift oder eben mit dem digitalen Stift, der ja sowieso alles möglich und wieder ungeschehen macht. (Philosophie: Im echten Leben kann man auch nix ungeschehen machen, und damit muss man dann halt leben.) Es geht darum, grafisch zu arbeiten, das heißt, mit Linie und Fläche, und mit den drei “Farben” schwarz, weiß und grau (Textur) ein Visual Interest (wie Love Interest, aber visuell ;) entstehen lässt. In Istanbul hab ich zum ersten Mal Wrongfidence als Thema eines Workshop verpackt und mit den Teilnehmer:innen der CoCreate-Workshopwoche der Kulturplattform Maviblau zusammen drei Stunden lang im Istanbuler Stadtteil Cihangir gezeichnet.

Dafür haben wir einzelne Gegenstände (keine Menschen, Tiere oder Architektur) in Form eines Visual Diary zeichnerisch gesammelt: Wir füllen eine Seite mit Objekten, Schriften und unseren eigenen Symbolen, indem wir uns an der Linie entlang hangeln. Gegenstände eigenen sich sehr gut für den Einstieg ins Zeichnen, weil sie sich nicht bewegen und man freistehende Objekte einfacher fassen kann als z.B. Gebäude. Und dann haben wir später durch Iterationen die Eigenheiten des Motivs noch stärker herausgearbeitet, so dass man sie beispielsweise als Tattoo-Motiv verwenden kann.

Die Idee dahinter: Wiedererkennungswert entsteht durch realistische Details statt perfekte Proportionen. War die Linie „falsch“, zeichnet man halt drüber – oder lässt es stehen. Wir sind nicht darauf angewiesen, das Motiv perfekt zu reproduzieren, sondern entscheiden selbst, wie wir es darstellen – je nachdem, welche Story wir darin sehen – durch Übertreiben der Eigenschaften, Schwarzweiß-Kontraste, Texturen und der Größenverhältnisse. Alles ist falsch = alles ist richtig.

Alle Fotos: Marie Konrad